Newsticker
Schlagzeilen, Meldungen und alles Wichtige
Die Nachrichten heute: Newsticker, Schlagzeilen und alles, was heute wichtig ist, im Überblick.
Zum Newsticker
  1. Home
  2. Wirtschaft
  3. Apple, Amazon, Google, Facebook vor US-Kongress: Die bizarre Anhörung

Wirtschaft Vor dem US-Kongress

„Will Google Muslime einsperren?“ – Die bizarre Anhörung der Tech-Chefs

EU-Korrespondent in Brüssel , New York
Die Tech-Giganten wehren sich gegen den Vorwurf der Marktdominanz

Die Chefs der vier Technologieriesen Apple, Amazon, Facebook und Google äußern sich vor dem US-Kongress zum Vorwurf der Marktdominanz und des unfairen Wettbewerbs. Die Abgeordneten gehen dem seit einem Jahr nach – und sind äußerst kritisch.

Quelle: WELT/ Nancy Lanzendörfer

Autoplay
Zum ersten Mal sagen die Chefs von Google, Apple, Facebook und Amazon gemeinsam vor dem US-Kongress aus. Die Anhörung, fünf Stunden und 29 Minuten lang, verkommt zur Show – und zeigt, dass Amerika die Liebe zu seinen Tech-Firmen verloren hat.

Worum geht es

Als der Abgeordnete Kenneth Buck zu reden begann, hielt sein Team ein Foto hoch. Es zeigte ein chinesisches Arbeitslager, leicht unscharf aufgenommen aus der Luft. Dann wandte sich der Republikaner an Google-Chef Sundar Pichai, der per Video zugeschaltet war. Google, meinte Buck, erinnere ihn an die Kommunistische Partei in Peking, die skrupellos spioniere, zensiere und unterdrücke. Er frage sich, sagte Buck, ob Google etwa auch dafür sei, „Muslime in Konzentrationslager zu sperren“.

Bucks Auftritt war einer der bizarrsten Momente der Anhörung in Raum 2141 des amerikanischen Kongresses. Dort befragten die Politiker fünf Stunden und 29 Minuten lang die Chefs von Google, Apple, Facebook und Amazon.

Lesen Sie auch

Sie warfen Sundar Pichai, Tim Cook, Mark Zuckerberg und Jeff Bezos Verrat vor, forderten die Zerschlagung ihrer Firmen, fielen ihnen ins Wort, schrien sie an. Es war ein Spektakel, das vor allem eins zeigte: Das Land scheint die Liebe zu seinen Internetgiganten verloren zu haben. Die quasireligiöse Verklärung von Big Tech ist wohl endgültig Vergangenheit.

In Raum 2141 ging es um die Frage, ob Google, Apple, Facebook und Amazon zu mächtig geworden sind. Sie ersticken den Wettbewerb, schaden so den Verbrauchern, lautete der Vorwurf. Die Sitzung war der Höhepunkt einer 13 Monate langen Ermittlung, der Showdown zwischen den großen vier und der amerikanischen Legislative. Sie war die aggressivste Machtdemonstration gegenüber Big Tech seit dem Versuch der US-Behörden vor mehr als 20 Jahren, Microsoft zu zerschlagen.

Zuckerbergs Kopf wirkte ungewöhnlich groß

Zum ersten Mal traten Pichai, Cook, Zuckerberg und Bezos gemeinsam vor dem Kongress auf, wegen der Pandemie per Video. Sie zählen zu den reichsten und mächtigsten Männern der Welt, sie sind die Stars der globalen Tech-Elite, ihre Firmen kommen zusammen auf einen Wert von rund fünf Billionen Dollar. Aber die Übertragung nahm ihnen einiges von ihrer Autorität.

Pichai saß vor einer weißen Wand, links ein Kaffeegedeck, rechts ein Bücherstapel, alles sorgsam arrangiert. Bezos, der noch nie zuvor im Kongress ausgesagt hatte, nahm vor einem Schrank mit leeren Vasen Platz. Hinter Cook standen Tröge mit Zimmerpflanzen. Und Zuckerberg ließ sich etwas unvorteilhaft von unten filmen, sein Kopf wirkte ungewöhnlich groß.

Mark Zuckerberg ist wie seine Tech-Kollegen in Corona-Zeiten nur virtuell im Kongress
Mark Zuckerberg ist wie seine Tech-Kollegen in Corona-Zeiten nur virtuell im Kongress

Das Hearing könnte die Grundlage für eine ganze Reihe von Gerichtsprozessen gegen die Unternehmen bilden, angestoßen von verschiedenen US-Institutionen, etwa der Kartellbehörde FTC oder dem Justizministerium. Aber vor allem war die Anhörung eine große Show. Mehr Theater als inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Wettbewerbsrecht. Aber so hatten es die Politiker wohl von Anfang an geplant. Die vier großen Tech-Stars in einer einzigen Sitzung – da kann gar keine Zeit für Details bleiben.

Es handelte sich eher um eine Generalabrechnung mit den Tech-Firmen. „Ihre Dominanz behindert die Innovation“, sagte zum Beispiel der Vorsitzende des Ausschusses, David Cicilline. „Sie bereichern sich, indem sie ihre Konkurrenten zerstören.“ Zudem, meinte der Politiker der Demokraten, missbrauchten die Unternehmen die persönlichen Daten ihrer Nutzer. Neue Monopole seien entstanden – und Amerika müsse sie zerschlagen.

Ein Momentum für mehr Regulierung?

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, aber ein Ziel haben die Abgeordneten an diesem Nachmittag bereits erreicht. Allein die Tatsache, dass Pichai, Cook, Zuckerberg und Bezos zeitgleich vor den Kongress zitiert wurden, lässt sie schuldig erscheinen. Big Tech steht nun in einer Reihe mit all den anderen, die solch demütigenden Veranstaltungen über sich ergehen lassen mussten: Big Pharma, Big Tobacco, Big Banks. Auch wenn die Anhörung nicht zu konkreten Ergebnissen führte, könnte sie helfen, in der US-Politik ein Momentum für mehr Regulierung zu schaffen.

Anzeige

Die Vorwürfe an die Firmen sind sehr unterschiedlich. Bei Apple ging es zum Beispiel um die Bedingungen, die Entwickler erfüllen müssen, um in den App Store zu kommen. Anbieter wie Spotify kritisieren als unfair, dass sie bei Verkäufen dort 15 bis 30 Prozent der Erlöse an Apple abgeben müssen. Facebook wurde vorgeworfen, durch den Kauf von Instagram und WhatsApp zu dominant geworden zu sein und anderen sozialen Netzwerken keine Chance zu lassen. Google wurde beschuldigt, Ideen der Konkurrenz zu stehlen und Suchergebnisse zu manipulieren. Und Amazon, hieß es, nutze Daten anderer Händler, die auf der Plattform verkaufen, um sie aus dem Geschäft zu drängen.

Die meisten Fragen der Abgeordneten waren absehbar, Pichai, Cook, Zuckerberg und Bezos hatten ihre Antworten gut vorbereitet, gerieten selten ins Stocken. Wer hat ihn also gewonnen, den Machtkampf in Raum 2141?

Eher die Manager. Die Politiker gaben oft eine schlechte Figur ab, wie schon bei früheren Anhörungen mit Tech-Chefs. Ein Republikaner fragte Zuckerberg, warum Facebook den Account von Donald Trumps Sohn gesperrt habe – obwohl es tatsächlich Twitter war. Ein anderer klagte, seine E-Mails mit Wahlwerbung landeten oft in Spam-Ordnern – und vermutete eine Verschwörung gegen ihn. Über Stunden hatte die Anhörung nichts mit Wettbewerbsrecht zu tun. Vielmehr nutzten Trumps Verbündete sie, um sich über vermeintliche Zensur zu beschweren.

Monologe, Selbstdarsteller und ein Gewinner

Politiker aus beiden Parteien schienen kein allzu großes Interesse an den Antworten der vier Zeugen zu haben. Fast alle unterbrachen die Wirtschaftslenker schon nach wenigen Sekunden, gaben ihnen nicht einmal die Gelegenheit, ihren Standpunkt klarzumachen. Die Abgeordneten hielten lange Monologe, nutzten die Anhörung zur Selbstdarstellung. Und sobald sie ihre Fragen gestellt hatten, verließen sie den Raum – weniger Engagement kann man kaum demonstrieren.

Als Google-Chef Pichai zum dritten Mal von dem Vorsitzenden Cicilline in der Mitte seines ersten Satzes abgewürgt wird, lehnt er sich zurück, faltet die Hände und lächelt dünn. Pichai, so scheint es, hat schnell begriffen, was seine Rolle an diesem Nachmittag ist: die Attacken der Politiker still über sich ergehen zu lassen.

Chefs von Tech-Konzernen wehren sich gegen Wettbewerbsvorwürfe
Links ein Kaffeegedeck: Sundar Pichai, Chef von Google
Quelle: dpa/Mandel Ngan

Bezos leistete mehr Widerstand, er war der einzige, der seinerseits die Abgeordneten unterbrach. Der Amazon-Chef lieferte einen gelungenen ersten Auftritt. Er redete klar, kam schnell zum Punkt, war manchmal sogar charmant dabei.

Immer wieder verglichen die Politiker die vier Tech-Chefs mit John Rockefeller und Andrew Carnegie, den einstigen Öl- und Stahlmagnaten. Wie Bezos und Zuckerberg hatten Rockefeller und Carnegie ihre Imperien aus dem Nichts erschaffen. Und wie sie, meinten die Abgeordneten, seien sie zu dominant geworden. Gegen Rockefeller wurde 1911 der erste große Monopolprozes in den USA geführt.

Lesen Sie auch

Amerika hat ein Jahrhundert der Zerschlagungen hinter sich. So sehr die Bürger wagemutige Unternehmer verehren – bei dem Gedanken, dass jemand eine ganze Branche unterwirft, ist den meisten doch nicht wohl. 1911 wurden Standard Oil und American Tobacco zerlegt, 1945 ging die US-Regierung gegen den Aluminiumriesen Alcoa vor. 1982 spaltete man den Telefongiganten AT&T auf. Aber gegen Google, Apple, Facebook und Amazon regte sich lange Zeit kaum Widerstand. Das, so wurde in Raum 2141 klar, hat sich geändert.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema