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Tesla-Showroom Quelle: imago images

Tesla braucht keine Werbung? Hier irrt Elon Musk!

Das kommt eher selten vor: Aktionäre fordern von Tesla höhere Marketingausgaben. Noch meint Elon Musk, ohne Werbung auszukommen. Doch die Zeit der Werbeabstinenz ist bald vorbei. Und dann geht es Mercedes, BMW und VW richtig an den Kragen.

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Elon Musk, Chef des Elektroauto-Umwälzers Tesla, ist ein Paradiesvogel. Er ist in menschlicher Gestalt die Disruption schlechthin. Seine erst im Jahr 2003 gegründete Firma Tesla schlägt derzeit alle Börsenrekorde. Tesla ist heute der wertvollste Autobauer der Welt und so viel wert wie VW, Daimler und BMW zusammen.

Wenn selbst Börsianer glauben, dass Tesla den deutschen Autobauern weit voraus ist, dann scheint Elon Musk einiges richtig zu machen. Doch Tesla bleibt ein Phantom, denn die Zulassungszahlen sprechen eine gänzlich andere Sprache. Das Magazin „Auto Motor Sport“ schreibt über die Juli-Zulassungen: „Trotz dieses erkennbaren Run auf die günstigeren Modelle wirft Tesla einmal mehr Fragen auf. Mit gerade einmal 154 neu zugelassenen Model 3 und den beiden zweistelligen Geschwistern X und S gab es insgesamt weniger Neuzulassungen für Tesla, als Nissan alleine mit dem Leaf stemmte.“

Börsenwert, Bekanntheitsgrad und Image stimmen bei Tesla, der Absatz aber nicht. Daher fordert ein großer Teil der Tesla-Aktionäre, dass der Autobauer endlich Geld für Werbung ausgibt. Ein Aktionär wird mit den Worten zitiert: „Werbung kann den Markenwert, die Bekanntheit des Produkts sowie das Interesse steigern. Zudem kann sie mehr Sicherheit vermitteln.“

Was weiß Tesla, was wir nicht wissen?

Die Antwort des Tesla-Managements lässt tief blicken: „... wir glauben aber auch, dass wir ein erfahrenes Managementteam haben, das am besten dazu geeignet ist, den täglichen Geschäftsbetrieb festzulegen, darunter fallen auch unsere Vertriebs- und Marketingmaßnahmen sowie -ausgaben.“

Wer ist nun schlauer? Die Aktionäre und mit ihnen alle Marketing- und Werbe-Experten der Welt? Oder doch Musk? Was weiß Tesla, was der Marketingwelt bislang verborgen blieb?

Elon Musk meidet Werbung wie der Teufel das Weihwasser. Er glaubt offenbar, eine bessere Alternative gefunden zu haben. Absatzwirtschaft vermeldet: „Marketing im Hause Tesla findet unabhängig von der Ablehnung traditioneller Werbung kontinuierlich statt. Nur wird sie eben nicht auf herkömmliche Weise bezahlt und findet nicht in Printprodukten oder im Fernsehen statt. Vielmehr sind Musk selbst und seine Unternehmen wandelnde Werbung für Tesla.“

Diese Start-ups wollen auf den deutschen Markt
Togg: Der türkische Staatspräsident Erdogan stellte im Dezember vergangenen Jahres mit dem Elektroautohersteller Togg („Turkey's Automobile Initiative Group“) das neue Prestigeprojekt seiner Regierung vor. Ab Ende 2022 sollen die elektrischen SUVs und Limousinen des neu gegründeten Autobauers auch auf deutschen Straßen rollen. Hinter dem Joint Venture Togg stecken die Anadolu Group, der Nutzfahrzeughersteller Kok Group und BMC sowie der Mobilfunkbetreiber Turkcell und die Zorlu Holding, der Mutterkonzern des TV-Herstellers Vestel. Kunden sollen für den Elektro-SUV zwei Akkus zur Auswahl haben, entweder mit einer Reichweite von 300 Kilometern oder mit einer Reichweite von 500 Kilometern. Der Motor soll im Basismodell 203 PS stark sein. Auf Wunsch könne ein zweiter Motor die Leistung verdoppeln. Zum Preis ist noch nichts bekannt. Quelle: Togg
Aiways: Der Elektro-SUV U5 des 2017 in China gegründeten Start-ups Aiways ist in Deutschland bereits bestellbar und soll im Oktober an die Kunden geliefert werden. Mit einem Basispreis von 37.990 Euro gehört Aiways zu den günstigeren Anbietern. Der U5 hat 150 kW (204 PS), kommt auf eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h und soll eine Reichweite von bis zu 410 Kilometern erreichen. Viele Komponenten des Aiways stammen von deutschen Zulieferern: das Lenksystem kommt beispielsweise von Bosch, die Karosserie hat Benteler Automotive mitentwickelt. Quelle: Aiways
Polestar: Ihre ersten Elektrolimousinen lieferte die schwedische Marke Polestar bereits im August an deutsche Kunden. Das Start-up gehört zur Muttermarke Volvo und damit zum chinesischen Automobilgiganten Geely. Beim Vertrieb arbeitet Polestar mit Volvo zusammen und hat damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Start-ups. Der Polestar 2 besitzt einen Allrad-Elektroantrieb mit 300 kW (408 PS) und kommt auf eine Höchstgeschwindigkeit von über 200 km/h. Die Batterie hat eine Kapazität von 78 kWh und soll eine Reichweite von bis zu 470 Kilometern ermöglichen. Das hat einen stolzen Preis: Der Polestar 2 kostet in der Basisausstattung 53.540 Euro. Quelle: Polestar
BYD: BYD („Build Your Dreams“) war lange der größte E-Auto-Hersteller der Welt. Das chinesische Unternehmen startete als Batteriekonzern und gründete 2003 eine Tochtergesellschaft für die Autoproduktion. 2008 stieg Star-Investor Warren Buffett ein und investierte eine Viertelmilliarde Euro. BYD ist schon seit einigen Jahren mit elektrisch angetriebenen Linien- und Reisebussen auf dem europäischen Markt aktiv. Mit dem BYD Tang EV soll 2021 auch der Verkauf von PKW in Europa starten. Den umgerechnet 56.000 Euro teuren Elektro-SUV wird es zunächst aber nur in Norwegen geben. Weitere europäische Länder sollen folgen. Der Allradantrieb des BYD Tang EV bringt eine Leistung von 360 kW (490 PS) und ermöglicht eine Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h. Die Reichweite soll bei 500 Kilometern liegen. Quelle: BYD
Zetta (Russland): Mit dem Elektroautohersteller Zetta hat die russische Regierung ein ähnliches Projekt angestoßen wie die Türkei. Ende 2020 soll das kastenförmige E-Auto laut russischem Industrie- und Handelsministerium in Serienproduktion gehen. Die Autos werden erst einmal auf dem heimischen Markt verkauft, mittelfristig visiert Zetta aber den europäischen Markt an. Dafür setzt das Unternehmen auf einen absoluten Kampfpreis – das günstigste Modell soll laut russischen Medienberichten umgerechnet nur rund 5200 Euro kosten. Trotzdem soll die Höchstgeschwindigkeit bei 120 km/h und die Reichweite bei knapp 200 Kilometern liegen. Das erscheint bei einer Batteriekapazität von 10 kWh allerdings eher unrealistisch. Quelle: Russisches Industrie- und Handelsministerium
Byton: Das chinesische Elektroauto-Start-up Byton galt einmal als großer Tesla-Konkurrent. Ursprünglich wollte Byton Ende 2021 seinen Elektro-SUV M-Byte zu einem Basispreis von 45.000 Euro nach Deutschland bringen. Der hinterradgetriebene M-Byte hat einen 200-kW-Elektromotor (272 PS), der auf eine Reichweite von bis zu 360 Kilometern kommen soll. Doch die Corona-Pandemie durchkreuzte Bytons Europa-Pläne. Das Start-up geriet in finanzielle Schwierigkeiten und musste mehrfach die Produktion anhalten. Es folgten Entlassungen, momentan ist das Unternehmen auf der Suche nach einer neuen Finanzierung. Was das für den Start des M-Byte in Deutschland bedeutet, ist noch unklar. Quelle: Byton

Das Haupt-Kommunikationsmedium des Tesla-Gründers ist Twitter. Hier setzt er auf eine stolze Zahl von gut 38 Millionen Followern, um seine Werbebotschaften zu verbreiten.

Was für US-Firmenchefs selbstverständlich ist, hat sich bis nach Deutschland noch nicht herumgesprochen. Immer wieder raten Experten deutschen Unternehmenslenkern, Social Media für die Kommunikation einzusetzen. Die Menschen wünschten, dass Firmenchefs ihre Meinung preisgeben und Haltung zeigen. Deutsche CEOs wie Herbert Diess (Volkswagen), Tim Höttges (Telekom) oder Joe Kaeser (Siemens) sind die Ausnahmen, doch mit maximal 100.000 LinkedIn-Followern erscheinen sie gegen Musk wie blutjunge Anfänger.

Enthusiasten statt Werbung

Neben Twitter baut Tesla auf seine Fan-Gemeinde und „Word of Mouth“, also Mundpropaganda. Ulrich Hopp, seines Zeichens Vorsitzender des Vereins „Tesla Fahrer und Freunde“, lässt seiner Begeisterung freien Lauf: „Wir sind eine Gruppe von Enthusiasten, die Autofahrer von Elektromobilität begeistern wollen.“ Elon Musk hat der Autoindustrie gezeigt, wo es lang geht. Deutsche Autobauer werden abgesehen von VW den Bach runtergehen.“ Und die WirtschaftsWoche ergänzt: „Sollten alle Tesla-Fahrer so enthusiastisch sein wie der Vereinsvorsitzende, hätte der US-Konzern zumindest die günstigste Marketingkampagne.“

Doch ganz so weit ist es mit der Tesla-Fangemeinde bei näherem Hinsehen nicht her. Bei Facebook versammeln sich auf dem Tesla-Account knapp 55.000 Enthusiasten, auf Tesla Deutschland gar nur 12.000. Zum Vergleich: BMW bringt es auf 20 Millionen Facebook-Fans, Mercedes-Benz auf 21 Millionen und Volkswagen sogar auf eine Gemeinde von 33 Millionen Facebook-Followern.

Was die Unternehmungen des Elon Musk, zu denen das Weltraum-Unternehmen SpaceX und der Bau der Gigafactory in Brandenburg zählt, die gekonnte PR-Arbeit und die Mund-zu-Mund-Propaganda der Tesla-Fans bringen, ist Aufmerksamkeit und Bekanntheit. Das mag der Börse genügen, nicht aber einem nachhaltigen Marketing-Erfolg. Hier irrt der Tesla-Boss.

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